Am 1. Juli 2018 tritt das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft. Es ersetzt das bisherige Sachwalterschaftsrecht und bringt volljährigen Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind, mehr Selbständigkeit.
Betroffen sind 60.000 bisherige Sachwalter und ihre Angehörigen. Andreas Tschugguel, Experte bei der Notariatskammer erklärt für meinbezirk.at das neue Gesetz.
Säule 1: die Vorsorgevollmacht
Mit einer Vorsorgevollmacht kann man selbst schon vorab jene Person oder Personen festlegen, die einen im Fall der Geschäftsunfähigkeit – sei es vorübergehend oder auf Dauer – vertreten sollen. Sie stellt eine umfassende Vollmacht dar und kann für sämtliche Bereiche, seien es etwa medizinische oder auch wirtschaftliche Angelegenheiten, erteilt werden. 
Tschugguel: „Ihr Vorteil ist, dass man sie maßgeschneidert erstellen kann. Man kann beispielsweise eine Person als Vertreter in medizinischen Angelegenheiten vorsehen und eine andere mit der Vermögensverwaltung betrauen. Und auch inhaltlich lässt sich genau festlegen, wie die Vertretung zu erfolgen hat.“ 
Neu dabei ist ab Juli 2018, dass die Vorsorgevollmacht nicht mehr anhand von Vorlagen selbst verfasst werden kann, sondern bei einem Notar, Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein erstellt werden muss. 
Die Vorsorgevollmacht tritt in Kraft, sobald ein Arzt die Entscheidungsunfähigkeit des Vollmachtgebers bestätigt hat und die Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht auf Grundlage dieses ärztlichen Zeugnisses im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) durch Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein eingetragen wurde. Ab diesem Zeitpunkt kann der Vollmachtnehmer den Vollmachtgeber rechtswirksam vertreten. 
Die Vorsorgevollmacht ermöglicht ein höchstes Maß an Selbstbestimmung. Sie sollte altersunabhängig genützt werden, um selbstbestimmt für den Fall der Fälle vorzusorgen.
Säule 2: Gewählte Erwachsenenvertretung
Diese Vertretungsform hat der Gesetzgeber neu eingeführt. Ist jemand zwar nicht mehr voll geschäftsfähig, kann aber dennoch das Wesen einer Bevollmächtigung in Grundzügen verstehen, so kann er seinen Vertreter bestimmen und mit diesem vor Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein eine Vereinbarung schließen. „Das kann ein Familienmitglied oder ein anderer Vertrauter sein“, erläutert Tschugguel. Diese Vereinbarung kann unter anderem das Recht einräumen, über medizinische Behandlungen zu entscheiden. 
Da die Vertretung selbstgewählt ist, besteht keine Befristung, allerdings muss dem Gericht jährlich Bericht über Lebenssituation und Vermögensstand erstattet werden, um die Interessen der betroffenen Person zu schützen. Nach Ablauf von drei Jahren hat das Gericht künftig nämlich neuerlich zu prüfen, ob die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenvertreters weiterhin nötig ist.
Säule 3: Gesetzliche Erwachsenenvertretung
Diese Form ist für Personen gedacht, die keine Vorsorgevollmacht errichtet haben und ihre Vertretung nicht mehr selbst wählen können. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung setzt die schon bisher mögliche Vertretung durch nächste Angehörige fort. 
Konnten bisher nur Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder, Ehegatte oder eingetragener Partner vertreten, so können künftig auch Geschwister, Nichten oder Neffen als Vertreter fungieren. 
Auch die gesetzliche Erwachsenenvertretung ist auf Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses im ÖZVV einzutragen. Der Umfang der gesetzlichen Erwachsenenvertretung wurde jedenfalls ausgeweitet: So ist künftig beispielsweise neben dem Abschluss von Rechtsgeschäften des täglichen Lebens etwa auch die Verwaltung von Einkünften und Vermögen möglich. 
Die gesetzliche Vertretung muss zum Schutz der vertretenen Person alle drei Jahre erneuert werden. Der gesetzliche Erwachsenenvertreter hat dem Gericht jährlich über Lebenssituation und Vermögensstand zu berichten. 
Säule 4: Gerichtliche Erwachsenenvertretung
Diese ersetzt die bisherige Sachwalterschaft. Die Befugnisse des gerichtlichen Erwachsenenvertreters dürfen nicht mehr pauschal alle Angelegenheiten umfassen, sondern müssen im gerichtlichen Bestellungsbeschluss auf bestimmte, genau zu beschreibende Vertretungshandlungen beschränkt werden. 
Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist als „ultima ratio“ gedacht. So muss der Bedarf einer gerichtlichen Vertretung im Vorfeld im Rahmen eines sogenannten „Clearings“, das durch die Erwachsenenschutzvereine vorgenommen wird, abgeklärt werden. 
Dabei wird geprüft, ob die gerichtliche Erwachsenenvertretung tatsächlich nötig ist oder ob doch noch alternative Möglichkeiten bestehen, nämlich entweder durch Unterstützung der betroffenen Person oder durch andere Vertretungsvarianten. 
Wird ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt, so verliert die vertretene Person – anders als nach bisheriger Rechtslage – nicht ex lege ihre Geschäftsfähigkeit. Vor allem im Bereich der medizinischen Behandlungen und der Vermögenssorge werden der Wille und die Bedürfnisse der vertretenen Person künftig noch stärker berücksichtigt, wie Tschugguel erläutert
Gleitende Übergänge
Letzte Frage: Müssen jetzt alle bisherigen Sachwalter etwas tun? Tschugguel verneint. "Für die alten Sachwalterschaften gilt das neue Erwachsenenschutzrecht grundsätzlich auch ab 1.Juli 2018. Nur für die neuen Bestellungsmodalitäten sieht das Gesetz einen gleitenden Übergang vor, um die Gerichte nicht zu überlasten."Dies gilt laut Tschugguel auch für die neue zeitliche Limitierung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung: Nach Ablauf von drei Jahren hat das Gericht künftig nämlich neuerlich zu prüfen, ob die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenvertreters weiterhin nötig ist.